Weltweit müssen Nahrungsmittel für immer mehr Menschen produziert werden. Und zwar möglichst nachhaltig und umweltschonend. Doch wie kann das in Zeiten des Klimawandels gelingen? Und welchen Beitrag kann die Pflanzenforschung leisten?
Wir brauchen schnelle Lösungen und Antworten. Für uns, vor allem aber für die kommenden Generationen.
Auf dem Weg dahin setzen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am IPK Leibniz-Institut verstärkt auf Leguminosen, also Hülsenfrüchte wie Bohnen, Erbsen und Linsen. Sie haben ein großes Potenzial – sei es mit Blick auf die gesunde menschliche Ernährung und die Tierernährung, sei es mit Blick auf den Klimawandel und dem Wunsch nach mehr Nachhaltigkeit.
Hülsenfrüchte enthalten zahlreiche Nährstoffe, insbesondere Eiweiß. Laut Bundeszentrum für Ernährung enthalten sie so viel Eiweiß wie kein anderes pflanzliches Lebensmittel. Zusätzlich bieten sie ein breites Spektrum sekundärer Pflanzenstoffe. Das macht sie besonders wertvoll für eine gesunde Ernährung.
Die unverdaulichen Kohlenhydrate und Ballaststoffe der Hülsenfrüchte können die Vermehrung „guter“ Darmbakterien fördern und die Darmflora verbessern. Auch der Gehalt an Vitaminen ist hoch, vor allem B-Vitamine wie Thiamin (Vitamin B1), Riboflavin (Vitamin B2) und Folsäure.
Ihre Wurzeln gehen eine Symbiose mit Bakterien (Rhizobien) ein. Diese sind in der Lage auf natürliche Weise Stickstoff aus der Luft zu binden und den Leguminosen dann zur Bildung von Eiweiß oder nachfolgenden Kulturen als Nährstoff zur Verfügung zu stellen. Sie tragen damit zum Erhalt der Bodenfruchtbarkeit und zur Förderung der Agrobiodiversität bei und wirken insgesamt nachhaltig und klimaschonend.
Leguminosen sind eine Pflanzenfamilie der Ordnung der Schmetterlingsblütenartigen (Fabales). Ab etwa 8.000 v. Chr. ist der Anbau von Leguminosen durch archäologische Funde belegt. Aus Jericho stammen die ältesten Funde. In das westliche Mittelmeergebiet drangen Leguminosen erst später vor, in Spanien beispielsweise erst ungefähr 2.200 v. Chr.
Heute haben Leguminosen auch für die Genbank des Institutes eine große Bedeutung. So lagern hier allein 8000 Bohnensorten.
Akzessionen (Muster) als Gesamtsammlung in der Genbank.
davon sind Leguminosenmuster mit:
Phaseolus (Gartenbohne),
Erbsen,
Ackerbohnen,
Lupine und
Sojabohne.
Stand: September 2024
Ein höherer Anteil an lokal erzeugtem pflanzlichem Eiweiß in unserer noch fleischreichen Ernährung könnte die Treibhausgasemissionen und den Verlust an biologischer Vielfalt verringern. Bisher gibt es jedoch keine Leguminose für die kühlere Klimazonen, deren agronomischer Wert dem der Sojabohne entspricht.
Eine Alternative könnte die Ackerbohne (Vicia faba) sein. Sie hat nicht nur ein hohes Ertragspotenzial, sondern eignet sich auch gut für den Anbau in gemäßigten Regionen. Ein wichtiger Schritt war daher 2023 die Entschlüsselung des Genoms der Ackerbohne, an der der IPK-Wissenschaftler Dr. Murukarthick Jayakodi mit seiner unabhängigen Arbeitsgruppe „Körnerleguminosen Genomik“ maßgeblich beteiligt war.
Ziel ist es zum einen, möglichst viele Bürgerinnen und Bürger bei der Erfassung wichtiger Merkmale wie Wachstum, Aussehen, Blütezeitpunkt oder Ertragskomponenten von 1.000 alten Bohnensorten einzubeziehen. Jede Teilnehmerin und jeder Teilnehmer erhält sechs Bohnensorten. Diese sät er bei sich aus und erfasst dann verschiedene Merkmale mit Hilfe der App „INCREASE CSA“. So erhalten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eine sehr große Datenbasis. Es geht aber auch darum, das Thema Biodiversität bei Bohnen viel präsenter und diese Hülsenfrüchte populärer zu machen.
Wir brauchen einfach verbesserte Sorten. Dabei geht es nicht nur um höhere Erträge, sondern auch um Krankheitsresistenzen, Trockentoleranz und die Anpassung an den Klimawandel. Dabei sollte künftig auch regionale Konzepte entwickelt werden. Die Voraussetzungen für den Anbau von Hülsenfrüchten sind in Italien natürlich andere als in Dänemark.
Im Moment werden viele Leguminosen noch nach Europa importiert. Ziel sollte es aber sein, die Voraussetzungen für den Anbau und die Nutzung, aber auch für die Erschließung neuer Märkte zu verbessern. Der Züchtung kommt dabei eine Schüsselrolle zu, wenn es darum geht, Hülsenfrüchte auf dem europäischen Markt konkurrenzfähig zu machen.
Regionaler Anbau und regionale Wirtschaftskreisläufe sind in Zeiten, in denen immer mehr Wert auf Nachhaltigkeit gelegt wird, natürlich von großer Bedeutung, ebenso die Jobs, die entstehen können. Und selbstverständlich wird so auch die Agro-Biodiversität gefördert.
Die landwirtschaftlichen Betriebe in Deutschland setzen schon heute immer häufiger auf heimische Leguminosen. Auch 2022 hat sich der Trend zur Ausdehnung der Anbauflächen weiter fortgesetzt. So wurden auf insgesamt 288.300 Hektar Körnerleguminosen angebaut, ein Anstieg von mehr als 17 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Seit dem Jahr 2011 hat sich die Anbaufläche für Körnerleguminosen in Deutschland fast verdreifacht. Die Flächen für den Anbau von Leguminosen zur Ganzpflanzenverwertung wurden im gleichen Zeitraum um über 31 Prozent ausgedehnt.
Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) hat sich die Förderung von Leguminosen auf die Fahnen geschrieben. Mit der Eiweißpflanzenstrategie sollen dabei u.a. Wettbewerbsnachteile heimischer Eiweißpflanzen (Leguminosen wie Ackerbohne, Erbse und Lupinenarten sowie Kleearten, Luzerne und Wicke) verringert, Forschungslücken geschlossen und erforderliche Maßnahmen in der Praxis erprobt und umgesetzt werden. Ab 2023 standen der Eiweißpflanzenstrategie 8,6 Mio. Euro zur Verfügung, drei Millionen Euro mehr als 2022.
Leguminosen stehen im Zentrum eines neuen EU-Forschungsprojektes, das vom IPK Leibniz-Institut koordiniert wird. Das Konsortium umfasst 32 Partner. Im Kern geht es in dem Vorhaben darum, eine enge Verbindung zwischen europäischen Forschungseinrichtungen, die in der Pflanzenwissenschaft weltweit führend sind, und den Züchtern herzustellen, von denen die Verbesserung der landwirtschaftlichen Kulturen abhängt.
Die Partner konzentrieren uns auf sechs Kulturpflanzen – Sojabohne, Erbse, Gartenbohne, Lupine, Linse und Klee. Jede dieser Pflanzen hat ein eigenes Arbeitspaket, und diese sechs Pakete sind die Säulen des Projektes. Dazu gibt es weitere Arbeitspakete, etwa für Training, Kommunikation oder Datenmanagement. Das Projekt läuft bis Februar 2028 und wird mit insgesamt sieben Millionen Euro gefördert.
Leguminosen
Fabaceae oder veraltet Leguminosae
An ihrem Blütenaufbau als Schmetterlingsblüte.
Über 27.000 Muster.
Akzessionen
Gestaltung und Produktion: Julie-Sophie Himpe
Konzept und Texte: Christian Schafmeister
Bildnachweise Video – Interviews: Julie-Sophie Himpe Fotos – Hintergründe: IPK Leibniz-Institut [Folie 1, 6, 8]; Adobe Stock [Folie 3, 4, 5]; Donal Murphy-Bokern [Folie 17] Video – Hintergründe: Adobe Stock [Folie 2, 7, 10, 11, 13, 14, 15, 18]; Julie-Sophie Himpe [Folie 17] Sounds: stereo-surgeon_timpani/freesound.org [Video-Intro]