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Hitze, Dürre und neue Krankheiten: Die Herausforderungen des Klimawandels sind groß – auch für die Pflanzen, die uns ernähren.
Und nicht nur das: Weltweit müssen auch Nahrungsmittel für immer mehr Menschen produziert werden. Und zwar nachhaltig und umweltschonend.
Doch wie kann das alles gelingen? Und welchen Beitrag kann die Pflanzenforschung leisten?
Fakt ist: Der Zeitdruck ist groß.
Wir brauchen schnelle Lösungen und Antworten. Für uns, vor allem aber für die kommenden Generationen. Deshalb erforschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am IPK Leibniz-Institut, wie Pflanzen für die Zukunft fit gemacht werden können. Dazu simulieren sie schon heute das „Feld der Zukunft“.
In dieser einzigartigen neuen Anlage dokumentieren modernste Systeme kontinuierlich Wachstum, Entwicklung und verschiedene physiologische Parameter der Pflanzen.
In der PhänoSphäre können Lichtintensität und -spektrum, Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Wind, aber auch die CO₂-Konzentration präzise eingestellt, variiert werden und jedes Setting kann exakt wiederholt werden.
Im Kern geht es um die entscheidende Frage: Wie reagieren die Pflanzen mit ihren Wurzeln, Trieben und Blättern auf bestimmte Stresssituationen wie Hitze und Trockenheit?
Wie leistungsfähig und widerstandsfähig eine Pflanze ist, zeigt sich weder im Labor noch im Gewächshaus in vollem Umfang. Erst im Freiland mit seinen realen Umwelteinflüssen offenbaren sich Leistungs- und Anpassungsfähigkeit.
Die Simulation des Feldes schafft die PhänoSphäre.
Anders als im Gewächshaus können hier Umweltfaktoren wie Temperatur, Feuchtigkeit, CO₂-Konzentration, aber auch Lichtintensität und -spektrum und sogar Wind reproduzierbar und so variabel eingestellt werden, wie sie in der Natur vorkommen.
Animation über technische Funktionen der IPK-PhänoSphäre abspielen:
Das Rhizotron-System
In speziellen Kassetten – den Rhizotronen – kann das Wachstum von Wurzeln beobachtet werden. Insgesamt 360 dieser Kassetten ermöglichen Einblicke in die "hidden half", den verborgenen, unterirdischen Teil der Pflanzen.
In den nur fünf Zentimeter breiten Kästen wachsen die Wurzeln an einer durchsichtigen, jedoch vom Licht abgeschotteten Scheibe entlang. Die Rhizotrone werden über die gesamte Wachstumsperiode hinweg automatisch von zwei Bildaufnahmetürmen eingezogen und in diesen werden die Pflanzen mit ihren Wurzeln nicht nur mit hochmodernen und hochauflösenden Kameras fotografiert, sondern auch mit Wasser und Nährstoffen versorgt.
So gewinnen die Forscherinnen und Forscher wichtige Erkenntnisse über das, was sonst im Boden verborgen bleibt: Aus den in der Regel täglich aufgenommenen Bildern werden Wurzelmerkmale wie Länge und Dicke, Anzahl und Anordnung der Verzweigungen sowie die Orientierung der einzelnen Teile abgeleitet.
Das Container-System
In bis zu 108 Containern (je 1 m³ Volumen) wachsen Pflanzen in Beständen wie in kleinen Versuchsparzellen im Freiland. In diesem Teil der PhänoSphäre können die Umweltbedingungen besonders variabel und umfangreich eingestellt werden. So lassen sich nicht nur die Bodentemperatur und der Wassergehalt in den Gefäßen regulieren, sondern auch die Zusammensetzung und Struktur des 1 Meter mächtigen Bodens variieren. Die Erfassung der Pflanzenmerkmale erfolgt von oben über ein PhenoCrane-System mit verschiedenen Kameras und Sensoren.
Die Schichtung des Bodens in den Containern entspricht der Realität im Feld – Humusschicht gefolgt von Löss, Sand und Kies sowie einer Drainage. Auch die Bodentemperatur kann gesteuert und natürliche Temperaturgradienten erzeugt werden. Die Wasserzufuhr erfolgt kontrolliert über Tröpfchenbewässerung. Geplant sind auch Systeme zur Erfassung des Wurzelwachstums in den Containern, z.B. durch Kameras in Kunststoffrohren.
Der „PhenoCrane“
Die Pflanzenmerkmale – der Phänotyp – werden im Containersystem mit dem „PhenoCrane“ erfasst. Dabei handelt es sich um eine in drei Achsen verfahrbare, automatisierte Aufnahmeplattform, die jeden Container anfahren kann. Sie ist mit RGB-Kameras, einem 3D- und einem Hyperspektralscanner sowie einem bildgebenden System zur Erfassung der Kinetik der Chlorophyllfluoreszenz zur dynamischen Messung der Photosynthese ausgestattet.
Die Beleuchtung
Mit der Beleuchtung können verschiedene Wetterszenarien durchgespielt werden. Sonnenauf- und -untergänge, aber auch die wechselnden Lichtverhältnisse bei Wolken am Himmel können simuliert werden. Ein Mix aus Entladungslampen, sechs verschiedenfarbigen LED-Typen (kaltweiß, dunkelblau, blau, cyan, rot und tiefrot) sowie UV(A)-Röhren deckt das Lichtspektrum ab 350 nm ab. Zur gleichmäßigen Ausleuchtung der Abteile sind die Seitenwände verspiegelt.
Der Wind
Im Containersystem der PhänoSphäre kann aber auch Wind simuliert und die damit verbundene Bewegung der Pflanzen ausgelöst werden. In jedem der beiden Abteile der Containeranlage befinden sich dazu zehn Ventilatoren, fünf auf jeder Seite. Sie können die Luft abwechselnd in entgegengesetzte Richtungen blasen.
Die Leitwarte
Der Kontrollraum der Rhizotron- und Containersysteme ist die Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Technik. Hier werden die gewünschten Wetterszenarien programmiert und überwacht. Außerdem werden von hier aus die Aufnahmesysteme gesteuert und die gesammelten Messdaten und Bilder in das zentrale Datenspeichersystem übertragen.
Big Data
Bei der Erfassung der Merkmale fallen große Datenmengen an. Im Rhizotron-System sind dies vor allem Bilddaten, aber auch Gewichts- und Bewässerungsdaten. Im Containersystem werden neben einer Vielzahl von Bilddaten u.a. auch Daten zur Bodentemperatur und Bodenfeuchte über Sensoren erfasst. Modernste automatisierte Bildanalyseprogramme helfen, die Datenflut beherrschbar und vor allem auswertbar zu machen.
Automatisierung vs. Handarbeit
Modernste Kamerasysteme, automatisierte Abläufe - und doch ist auch harte Handarbeit für den Betrieb der PhänoSphäre notwendig. Zum Beispiel bei der Vorbereitung der Versuche in den Rhizotronen. Mehr als eine Woche dauert es, bis alle 360 Wurzelkästen mit Erde gefüllt sind. In jedes Rhizotron kommen zehn Kilogramm. Die Erde muss in die schmale Öffnung zwischen den beiden Scheiben gefüllt werden. Gefüllt wiegt ein Rhizotron dann 20 Kilogramm. Bis zu 1,5 Tonnen wiegt die in mehreren Schichten eingefüllte Erde pro Container, die in verschiedenen Tiefen mit Bodensensoren versehen ist.
Doch nicht nur beim Befüllen der Rhizotrone und Container ist Handarbeit gefragt. Auch Aussaat bzw. Pflanzung und Ernte erfolgen versuchsspezifisch per Hand.
Wissenschaftliche und technische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Arbeitsgruppen „Automatisierte Pflanzenphänotypisierung“, „Heterosis“, „Technik“ und „Versuchsfeld und Gärtnerei“ arbeiten hier Hand in Hand.
Container-System
In einer ersten umfangreichen Versuchsreihe im Containersystem wurden zwei verschiedene Wetterszenarien simuliert und gezeigt, dass das Wachstum und der Entwicklungsfortschritt der Pflanzen ganz unterschiedlicher Maissorten sehr gut mit dem auf einem nahe gelegenen Feld übereinstimmt, dessen Witterungsverlauf in der PhänoSphäre simuliert wurde.
Dass die in der PhänoSphäre gewonnenen Erkenntnisse auch für den Züchtungsfortschritt von Bedeutung sind, zeigt das Verbundprojekt AVATARS. Im Kern geht es um die Frage, was Rapspflanzen widerstandsfähig gegen ungünstige Wetterereignisse wie Trockenheit oder Starkregen macht, die in Zeiten des Klimawandels immer häufiger zu erwarten sind.
Schließlich wird untersucht, welche Wechselwirkungen zwischen Erbgut und Umweltfaktoren dafür verantwortlich sind, dass Saatgut von guter oder schlechter Qualität entsteht. Dabei geht es vor allem um dessen Vitalität und Keimfähigkeit und damit um Eigenschaften, die für einen guten Feldaufgang einer unserer wichtigsten Kulturpflanzen entscheidend sind.
Auf der Suche nach Lösungen gehen die Projektpartner neue Wege. Ziel ist es, die enormen Datenmengen mit neuen Techniken wie Virtual Reality (VR) aufzubereiten und mit diesem neuen Medium auch bei Schülerinnen und Schülern Interesse für die Pflanzenforschung zu wecken.
Rhizotron-System
Die Wurzel erfüllt drei zentrale Funktionen für die Pflanze: Sie gibt ihr Halt und sorgt für die Aufnahme von Wasser und Nährstoffen. Grund genug, sie genauer unter die Lupe zu nehmen. Für einen Diversitätsatlas der Wurzeldynamik haben Forschende in einem Experiment die Wurzeln von 17 verschiedenen Kulturpflanzenarten untersucht. Im Mittelpunkt stand die Wachstums- und Entwicklungsdynamik der Wurzeln von jeweils drei bis sechs verschiedenen Sorten jeder Art.
Die Auswertung der Wurzelbilder, die täglich über einen Zeitraum von 43 Tagen im voll besetzten System aufgenommen wurden, lieferte faszinierende Ergebnisse: Es zeigten sich nicht nur große Unterschiede zwischen den Arten, sondern auch starke Variationen innerhalb einzelner Arten. Unterschiede, denen es nun auf den Grund zu gehen gilt.
https://www.ipk-gatersleben.de/infrastruktur/phaenotypisierung/ipk-phaenosphaere
PhänoSphäre: Hightech-Gewächshaus für die Pflanzenforschung (Deutschlandfunk, Forschung Aktuell, 01/2024)
Heuermann et al. (2023): Natural plant growth and development achieved in the IPK PhenoSphere by dynamic environment simulation. Nature Communications.
https://www.nature.com/articles/s41467-023-41332-4
Realistische Feldforschung unter dem Dach (querFELDein; 12/2023)
https://www.quer-feld-ein.blog/finden/realistische-feldforschung-unter-dem-dach/
Gestaltung und Produktion: Julie-Sophie Himpe
Konzept und Texte: Christian Schafmeister
Bildnachweise: Fotos: juicy_fish/flaticon.com; deemakdaksina/flaticon.com; Andrei/stock.adobe.com; Prof. Dr. Thomas Altmann; Andreas Bähring; Heike Müller; Joseph Bergstein; Julie-Sophie Himpe Videos: Julie-Sophie Himpe – IDEE / BIG DATA / AUSBLICK / u.v.m.; Eulefilm – Future Food auf Youtube; Konstantin Kurenkov – PhenoCrane Drohnenflüge: Abdulaziz Menkar – PhänoSphäre & Campus Animation: Breakpoint One – Avatars Sounds: kickhat/freesound.org – Story-Atmo; stereo-surgeon_timpani/freesound.org – Video-Intro