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Tanzende Ähren

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Die wachsende Weltbevölkerung macht es erforderlich, den Ertrag wichtiger Kulturpflanzen zu erhöhen, um die Menschheit in Zukunft ernähren zu können. Pflanzenzüchter und Wissenschaftler arbeiten dafür an verschiedenen Ansätzen, um dieses Problem zu lösen. Eine Möglichkeit wäre das Nutzen des Hybrideffektes. Hybride entstehen durch eine Kreuzung zwei verschiedener Pflanzenlinien. Diese Hybride zeichnen sich dadurch aus, dass sie einen höheren Ertrag und eine bessere Ertragsstabilität im Vergleich zu ihren Eltern haben. Doch nicht nur das: Sie sind robuster gegenüber extremen Wetterbedingungen, die durch den Klimawandel immer häufiger austreten könnten. In vielen Kulturarten wie Mais und Gerste konnten bereits kommerzielle Erfolge mit Hybriden erzielt werden. Auch Weizen ist bereits seit Jahrzenten im Fokus des wissenschaftlichen Interesses. Dennoch konnte bisher kein effizientes System für die Hybridproduktion entwickelt werden. Aus diesem Grund arbeitet das IPK Leibniz-Institut eng mit Pflanzenzüchtern im Projekt HyFlor zusammen. Ziel ist es, die Blühbiologie von Weizen tiefgründiger zu untersuchen. Ein grundlegendes Verständnis des Blühverhaltens von Weizen, könnte das Hybridsystem in Weizen revolutionieren.
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Im Zuge dessen wird in der Arbeitsgruppe „Pflanzliche Baupläne“ von Thorsten Schnurbusch intensiv die Weizenblüte untersucht. Dabei beobachtet seine Doktorandin Constanze Schmidt in detaillierten Nahaufnahmen den Blühprozess genauer. Constanze hat ihren Bachelor und Master in Biologie abgeschlossen, und verfasst nun ihre Doktorarbeit in den Agrarwissenschaften.
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Eine Weizenähre besteht aus bis zu 40 Ährchen.
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Jedes Ährchen besitzt zwei Hüllspelzen, die die zwei bis fünf Blütchen umschließen.
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In jedem Blütchen sitzt zwischen Deck- und Vorspelze der Fruchtknoten. Direkt daran befinden sich die Schwellkörper, die für das Öffnen des Blütchens verantwortlich sind. Am Fruchtknoten schließen in Weizen die zwei fedrigen Narben an, auf die der Pollen landen muss. Der Pollen selbst befindet sich in den Staubbeuteln, die mit dünnen Fäden, sogenannten Filamenten, an der Basis des Blütchen befestigt sind. Beim Weizen hat jedes einzelne Blütchen drei Staubbeutel.
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In Zeitrafferaufnahmen konnte der Blühprozess genau beobachtet werden. Als erstes öffnen sich die drei Staubbeutel und entlassen den reifen Pollen innerhalb der Blüte. Dadurch wird direkt die eigene Narbe bestäubt. Als zweites verlängern sich die Filamente in raschem Tempo - das lässt sich sogar mit bloßem Auge beobachten. In einem dritten Schritt schwellen die Schwellkörper an. So werden Deck- und Vorspelze auseinander gedrückt und an der Spitze der Blütchen entsteht ein kleiner Spalt. Durch diesen Spalt zwängen sich die Staubbeutel, bis sie - an den Filamenten hängend - aus dem Blütchen baumeln.
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Nach kurzer Zeit (etwa 30 Minuten), kollabieren die Schwellkörper und das Blütchen schließt sich wieder. Die Staubbeutel verbleiben draußen, und entleeren sich durch (Wind-)Bewegung komplett. Sollten sich zu diesem Zeitpunkt andere Weizennarben in der Nähe befinden und aufnahmebereit sein, können sie durch den Pollen bestäubt werden. Weizenpollen ist aber im Vergleich zu anderen Kulturarten sehr schwer, und kann über den Wind nicht sehr weit übertragen werden.
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Im Falle einer Kreuzung zweier Pflanzenlinien muss der Pollen von einer Vaterpflanze auf die Narbe der Mutterpflanze gelangen. Weizen ist hauptsächlich ein Selbstbestäuber. Das bedeutet, dass sich in einer Blüte sowohl die männlichen als auch weiblichen Organe befinden, und eine Pflanze sich selbst befruchtet. Dabei entsprechen die Staubbeutel den männlichen Organen, und der Fruchtknoten den weiblichen Organen. Das bedeutet, dass bei der Mutterpflanze die Pollen-Produktion unterbunden werden muss. Dies kann durch das mechanische Entfernen der Staubbeutel geschehen, oder durch sogenannte Gametozide. Diese werden auf die Pflanzen gesprüht, und verhindern die weitere Entwicklung von Pollen. Eine Sterilisation der männliche Blühorgane kann auch durch Mutationen erfolgen.

Für die Hybridproduktion von Weizen sind zwei Dinge erforderlich: Die Verfügbarkeit von Pollen und aufnahmebereite weibliche Linien. Da diesen keinen eigenen Pollen produzieren, brauchen sie Pollen anderer Pflanze, um befruchtet zu werden und so Körner zu bilden. Kommt es zu keiner erfolgreichen Bestäubung, bleibt die eigene Fortpflanzung aus.


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Die größte Hürde in der Weizenhybridproduktion besteht darin, den Weizen als Selbstbestäuber dazu zu bringen, auch andere Weizenpflanzen zu bestäuben bzw. sich von anderen Pflanzen bestäuben zu lassen. Deshalb sind wir momentan auf der Suche nach Merkmalen, die für einen ausgezeichneten Vater bzw. eine ausgezeichnete Mutter stehen. Sprich: Welche Merkmale sind ausschlaggebend dafür, dass eine maximale Fremdbestäubung stattfinden kann? Auf der Vaterseite brauchen wir optimale Pollenverfügbarkeit außerhalb des Blütchens. Auf der Mutterseite suchen wir eine gute Kombination zwischen einem großen Öffnungswinkel (damit möglichst viel Pollen aufgenommen werden kann) sowie einer langen Dauer an Empfänglichkeit (damit möglichst lange Pollen aufgenommen werden kann). Künftig wollen wir letztlich genauer beschreiben, welche Merkmale am wichtigsten sind, und welche Linien für die Produktion von Hybridsaatgut am ehesten in Frage kommen.
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Eine Produktion des
IPK Leibniz-Instituts

Text
Constanze Schmidt
Christian Schafmeister

Zeitrafferaufnahmen 
Constanze Schmidt

Videos | Fotos | Grafik
Andreas Bähring
Constanze Schmidt

© 2022
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