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Genom-Editierung mit der Cas-Genschere



Wie funktioniert die Methode?

Was kann damit erreicht werden?

Und warum wird so viel darüber diskutiert?

Was ist Genom-Editierung?

Wie beim Editieren von Texten oder Filmen geht es bei der Genom-Editierung darum, einzelne Abschnitte zu bearbeiten - in diesem Fall der pflanzlichen Erbinformation in Form von DNA. Der Begriff steht für eine Reihe von Methoden, die es ermöglichen, DNA gezielt zu verändern. Genau genommen geht es darum, Mutationen nicht zufällig irgendwo, sondern in ausgewählten DNA-Abschnitten zu erzeugen. Die bekannteste Methode zur Genom-Editierung leitet sich vom mikrobiellen Immunsystem „CRISPR-Cas“ ab und nutzt daraus die Genschere Cas9 und ein Navigationssystem (gRNA)

Wie funktioniert die Genschere?

  • Auf Grundlage genetischer Informationen wird die Zielsequenz in dem Gen der Pflanze, welches verändert werden soll, bestimmt und das Navigationssystem (gRNA) komplementär zu dieser Sequenz „programmiert“.
  • In der Pflanzenzelle bindet die gRNA an die Genschere Cas9, und beide suchen gemeinsam die komplette DNA der Pflanzenzelle nach einer vorgegebenen Zielsequenz ab.
  • Wird diese Sequenz gefunden, zerschneidet Cas9 die beiden DNA-Stränge genau an dieser Stelle. Durch die Beschädigung der DNA werden zelleigene Reparaturmechanismen aktiv, die die Enden der zerschnittenen DNA wieder zusammenfügen. Dabei können Fehler passieren - dies sind die Mutationen, die damit gezielt an dieser Position hervorgerufen werden sollten.



Aber wie läuft das in der Praxis ab?

Im Büro

Anhand der Sequenzinformation aus der Pflanze wird am Computer die Zielsequenz bestimmt. Die Lage der Zielsequenz innerhalb das Gens ist unter anderem davon abhängig, welche Art der Veränderung gewollt ist - also ob das Gen beispielsweise abgeschaltet oder seine Funktion verändert werden soll.

Im molekularbiologischen Labor

Im Labor werden die Bauanleitungen für die Genschere und die zielspezifische gRNA (das Navigationssystem) zusammengesetzt und in Agrobakterien übertragen.

Im Zellkulturlabor

Mithilfe der Agrobakterien werden die Bauanleitungen für die Genschere und die gRNA in Zellen unreifer Embryonen übertragen, die zuvor aus sich entwickelnden Getreidekörnern isoliert wurden.



Im Lichtraum

Dann entwickeln sich aus den Embryonen wieder ganze Pflanzen. Dafür wachsen sie im Lichtraum auf unterschiedlichen Nährmedien, über deren hormonelle Zusammensetzung die Entwicklung gesteuert wird: Zunächst wird unspezifisches Zellwachstum induziert, es entstehen Zellhaufen, sogenannte Kalli. Aus diesen entwickeln sich in einer zweiten Phase Sprosse und Blätter und anschließend Wurzeln.

Im Gewächshaus

Sobald die Pflänzchen ausgebildet sind, kommen sie in Erde ins Gewächshaus und wachsen wie ganz normale Pflanzen weiter. In dieser Zeit werden erste Blattproben genommen. Daraus wird die DNA isoliert und der Genbereich sequenziert, in dem die Genschere aktiv sein sollte. So wird überprüft, ob und welche Mutationen entstanden sind.





Warum aber wird darüber so viel diskutiert? Und was sind die Standpunkte?

Das sagt die Wissenschaft

Der Einsatz der Genschere bringt auch die Pflanzenzüchtung voran. Verglichen mit konventionellen Züchtungstechniken ist die Methode präziser und führt schneller zum Ziel. Zugleich hat sie nicht mehr die Nachteile der gentechnischen Verfahren der ersten Generation, bei denen häufig nicht steuerbar ist, an welcher Stelle im Erbgut sich ein neues Gen oder Genelement einfügt.

Ein weiterer wichtiger Aspekt: Genomeditierte Pflanzen lassen sich - anders als die meisten Produkte der klassischen Gentechnik - in der Regel nicht von solchen Pflanzen unterscheiden, die auch durch natürliche genetische Veränderungen (Mutationen) oder herkömmliche Züchtung entstehen können.

>> Grüne Gentechnik - Pflanzenzucht mit der Genschere

>> Stellungnahme der Leopoldina (2019)

Das sagt der Europäische Gerichtshof

Im Sommer 2018 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in einem Urteil entschieden, dass sowohl Genom-Editierung als auch klassische Mutagenese als gentechnische Verfahren definiert sind, aber nur die genomeditierten Pflanzen entsprechend reguliert werden müssen. Pflanzen aus klassischen Verfahren, die vor 2001 entwickelt wurden, fallen hingegen unter die sogenannte „Mutagenese-Ausnahme“. Dadurch können Sorten aus klassischer Züchtung (also im Prinzip alle momentan genutzten, einschließlich Bio-Sorten) wie gehabt genutzt und weiterentwickelt werden. Pflanzen, bei denen hingegen Cas9 & Co eingesetzt wurden, sind sehr strengen (und damit teuren) Auflagen unterworfen.



Das sagt die EU-Kommission

Die EU-Kommission hat jüngst in einer Studie das Potenzial molekularbiologischer Methoden wie dem „Genome Editing“ für eine nachhaltige Landwirtschaft - und damit auch für politische Ziele wie den „European Green Deal“ und die „Farm-to-Fork“-Strategie - unterstrichen. Gleichzeitig kommt die Kommission zu dem Schluss, dass das bestehende Gentechnikrecht aus dem Jahr 2001 nicht geeignet ist, die neuen Methoden angemessen zu regulieren.

>> Pressemitteilung der EU-Kommission985

>> Studie der EU-Kommission>> Pressemitteilun>> Studie der EU-Kommissi

Nobelpreis 2020

Der Chemie-Nobelpreis 2020 ist an die Französin Emmanuelle Charpentier und die US-Amerikanerin Jennifer Doudna gegangen. Beide haben gemeinsam die Genom-Editierung mit der Genschere Cas9 erfunden und damit das Bearbeiten von Genen innerhalb lebender Zellen revolutioniert.

Wer Technologien wie die Genom-Editierung ablehnt, der schenkt dem Zufall mehr Vertrauen als der Wissenschaft.

Prof. Dr. Andreas Graner (Geschäftsführender Direktor des IPK Leibniz-Instituts)

>> zum Interview mit Andreas Graner

Wie geht es weiter?

Aus Sicht der Wissenschaft ist die Genschere kein Allheilmittel, aber ein wichtiges Instrument zur Bewältigung künftiger Herausforderungen. Dazu zählen der fortschreitende Klimawandel und die wachsende Weltbevölkerung ebenso wie der Wunsch nach einer nachhaltigeren Landwirtschaft und einer gesünderen, vielseitigeren Ernährung. Schon heute ist es möglich, mittels moderner Sequenziertechnologien und der Genschere vorteilhafte Eigenschaften aus alten Akzessionen in moderne Sorten zu übertragen. Doch auch in der Politik ist inzwischen einiges in Bewegung. So wird nach der Studie aus dem Jahr 2021 auf europäischer Ebene eine Reform des bisherigen Rechtsrahmens diskutiert.

Links

Video



Radio

Interview mit Prof. Dr. Nicolaus von Wirén, IPK's geschäftsführendem Direktor: "Getreide der Zukunft: Mit der Genschere zu mehr Ertrag" (Mitteldeutscher Rundfunk, MDR AKTUELL – Das Nachrichtenradio, 01/2024)

https://www.mdr.de/nachrichten/podcast/interview/audio-gentechnik-gatersleben-saatkulturen-wiren-100.html

Eine Produktion des IPK Leibniz-Instituts

© IPK Leibniz-Institut 2022



Texte: Christian Schafmeister, Robert Hoffie

Umsetzung: Andreas Bähring

Bildnachweise:

Folie 1; 4; 5; 6 ;7; 8; 14 : Andreas Bähring

Folie 2: Adobe Stock ; Grafiken: Jochen Kumlehn und Sindy Chamas

Folie 10: Von Barnos - Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=111047454

Folie 11: Von Luxofluxo - Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=107742750

Folie 12: Von EmDee - Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=91781296

Folie 13: Von Gösta Florman (1831–1900) / The Royal Library - Sweden.se credits image to www.imagebank.sweden.se, Gösta Florman / The Royal Library, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=2532726